Sich dem Unterbewusstsein absichtslos ausliefern- kein Denken, kein Bewerten, kein Golfen. Pure Bewegung. Übung.

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DAS ER-ICH PRINZIP

Kennen Sie den ER-ICH in ihnen? Nein? Sie lügen schamlos. Denn (fast) jeder hat einen ER-ICH in sich. Sogar gestandene Tourpros. 

Als ich voller Euphorie die ersten Schläge mit dem E7 machte, ein Spaulding Tourblade mit Stahlschaft in stiff aus dem Jahre 1977 (mein Onkel überreichte es mir zusammen mit einer vom vielen Durchblättern geschundenen deutschen Originalausgabe von Jack Nicklaus’ Golf - Mein Weg und den Worten „Wenn du das Buch gelesen und verstanden hast, weißt du alles über Golf und wenn du das Eisen triffst; kannst du Golf spielen.“), befand ich mich noch in einem paradiesischen Urzustand des gedankenlosen, intuitiven Draufdreschens. Mit 10 Finger Griff, meinem ¾ Hockeyschlag und der Unbekümmertheit meines ICH flog der Ball sehr hoch und genügend weit, um auf den Weg des weißen Balles zu geraten. ES war einfach berauschend. 

Aber irgendwann sollte ja aus dem verdammten Slice ein dezenter Draw werden. ICH las das Buch und plötzlich war ER da. Und suchte und fand Ziel strebend das ICH, das, geblendet von dessen verführerischen Verheißungen, in schizophrene Beziehung zum ER trat, um viel zu schnell zum ER-ICH zu werden. ER, dem ICH glaubhaft das Paradies des perfekten Schlags mit tiefen Rundenscores und dem daraus resultierendem niedrigen Handicap versprechend, sollte von nun an nicht mehr von der Seite des ICH weichen. Das ICH wollte ursprünglich nur spielen, sich verlieren. In den sporadisch auftauchenden Momenten des Glücks. In den Weiten der Fairways, den Tiefen des Roughs, den Ondulationen der Grüns. ER meinte verlieren sei wirklich nicht das Ziel. ER versprach Ekstase, Bewunderung, Respekt, Siege, Glanz und Gloria. Wo das ICH bisher erwartungslos, neugierig und ohne Zweifel auf den Ball schlug, hatte ER plötzlich Anweisungen, Ratschläge und Ermahnungen parat. Weckte Begehrlichkeiten, Länge und Präzision der Schläge betreffend. Stellte Forderungen. 

Am Abschlag beim Ansprechen des Balles sagt ER plötzlich: 

ER: "Denk dran: die linke Schulter startet und muss unters Kinn! Hau nicht zu früh drauf und schau den Ball an! Und stell dir die bewundernden Blicke deiner Flightpartner nach einer 260m Bombe vor!“ 

Worauf dem ICH, völlig überrumpelt von dieser ungewohnten Dreistigkeit der Einmischung, nur einfällt: 

"Mach ich.“ 

ER: "So wie auf der Range, verstanden?“ 

ICH:"Mach ich"

Nachdem der Ball dank der bisher mit Gleichmut erfahrenen Bananenkurve statt nach den erwarteten 260m nach nur 200m im tiefen Rough landet, grinst ER ganz ungeniert und meint:

"Sag mal, hörst du mir eigentlich zu? Was hatte ich gesagt? Schulter drehen! Nicht so früh drauf dreschen! Das gibt’s doch gar nicht. Wie oft muss ich es denn noch wiederholen? Ist ja peinlich!“

ICH: "Beim nächsten Mal klappt es.“ 

Beim Betrachten der Lage des Balles im Rough ist ER mit guter Laune und Zuversicht zur Stelle. 

ER: "Ballposition! Und nimm ein Eisen mehr! Und schau den Ball an!“

Ich: "OK !“ 

Zu kurz geraten und 40m zur Fahne liegend, grummelt ER nun vor sich hin. 

"Ballposition hatte ich gesagt, Mann oh Mann!“ Um dann zu schmeicheln. "Den kannst du jetzt, denk an die Hunderte gelungenen Pitches. Sei aber bloß nicht wieder neugierig und schau zu früh nach.“

ICH: "Ja mach ich.“ 

ER: "Fett! Ich fass es nicht! Was hatte ich gesagt?“ 

ICH: "Ich weiß, ich hab wieder zu früh nachgeschaut.“ 

ER: "Hör endlich auf mit dem Ich weiß und mach was ich dir sage!“ 

Einem 8m Par Putt, bergab mit leichtem Break, ins Gesicht starrend, säuselt ER nun. 

"Pendel die Schultern und greif den Putter sanft. Dann geht der jetzt rein.“ 

ICH: "Mach ich.“ 

ER: "Und lass ihn ja nicht zu kurz!“ 

ICH: "Mach ich, äh, mach ich nicht.“ 

Zu kurz! Immer noch 1,5m fürs Bogey und ER kann sich nun doch nicht mehr im Zaum halten.

ER: "Alles klar! Du willst es heute anscheinend wieder nicht wahrhaben. Mach was ich dir sage, ich weiß wie es geht. Hör auf zu glauben, dass du es besser weißt. Schlägerblatt zum Loch und stopf das Ding jetzt! 

ICH: "„Mach ich.“

ER: "Wehe du schiebst den unten vorbei!“ 

ICH: "Mach ich, äh, nein, mach ich nicht!“ 

Nach dem unerträglichen Tap-In zum Doppelbogey unterhalb des Lochs verliert ER die Geduld. 

"Gepusht, gepusht! Ich glaub es nicht. Wozu haben wir das denn nun stundenlang geübt? Wozu lese ich denn die ganzen Bücher, sehe mir die DVDs und youtube Videos an, geh mit dir zum Pro, analysiere deine Schwünge, mach mit dir clubfitting, such dir laufend das beste Material aus? Mach mir Gedanken um deinen Schwung und du? Meinst immer deinen Dickschädel durchsetzen zu müssen, meinst du wüsstest wie es geht. Mach doch einfach mal was ich dir sage! Hör mir zu! Willst du endlich mal was gewinnen mit deinem Golf? Und schau dir deine Flightpartner an, die lachen schon über uns. Wie peinlich! Hatten wir nicht eine Vereinbarung? Du machst was ich dir sage und kriegst dafür Glücksgefühle und ein Bombenhandicap!“ 

ICH: "Ich versuchs doch!“ 

ER: "Nix versuchen, mach was ich dir sage! Immer das Gleiche mit dir.“ 

ER stellt nun zunehmend fest, dass ER ohne das ICH nicht existieren kann. Und das ICH erinnert sich zunehmend an das mühelose, zweifellose Tun, bevor ER auftauchte. Und dann kommt, nach Jahren der Selbst-Demütigungen, Selbst-Beschimpfungen und Belehrungen, der Moment, in dem sich das ICH an die unbekümmerten Bewegungen seiner golferischen Anfangszeit erinnert und beginnt dem ER zu widersprechen. 

ER: "Also. Denk dran: Schuuultern dreh.“ 

ICH: "Halt doch den Mund, du nervst langsam! Ich mach das schon!“ ER: "Ach ne! Willst dich jetzt auf deinen Körper verlassen? Diesen Körper! Wo ich dir seit Jahren sage, dass du ins Fitness Center gehen sollst. Sieh dich doch an! Slicet noch immer, lässt deine Chips zu kurz oder haust sie fett und wirst nie einen Putt weiter weg als 1m lochen. Hör auf mich, mach was ich dir sage und wir beide sind glücklich. Übrigens. Die neue Short game DVD aus den USA kommt morgen. Und dein neuer, speziell auf dich gefitteter Scotty Cameron Putter ist auch nächste Woche da. Na dann, nur zu, wirst ja sehen was dabei raus kommt.“ 

ICH: "Genau, ich werd mich überraschen lassen diesmal. Ich gebe mein Bestmögliches und lebe dann damit was rauskommt.“ 

ER: "Na super, dein Intuitionsgolf! Das kann ja was werden. Fällst doch gleich wieder in deine alten Muster zurück!“ 

ER fürchtet sich von nun an vor den zu gelingenden Schlägen und ICH freut sich auf die zunehmende Ruhe und Gelassenheit. Und die Schläge gelingen zunehmend besser. Weil ER nun vor dem eigentlichen Schlag seine Meinung kundtut, das ICH aufmerksam zuhört und dann abwägt ob es hilfreich ist. Um dann, wie in den Anfangszeiten aber nun von gutem Rat beseelt, seiner Natürlichkeit zu vertrauen. 

ER: "Du weißt, dass die Fahne zu nah am Wasser steckt. Mitte Grün! Verstanden?“ 

ICH: "Ja alles klar, hab ich doch gesehen. Ich werde eine saubere 8 ins Grün spielen, da kann nicht viel passieren.“

ER: "Mist. ER war zu kurz. Grünrand! War doch ne 7.“ 

ICH: "Was soll’s. ICH chip den rein!“ 

ER: "Ja mach das! ES wird schon klappen.“ 

Und ER fiel. ICH bin glücklich. ER ist glücklich.

ES kann nun aus ER-ICH ein ERICH werden.

 

(Danke an Professa Groover für Inspiration und Verständnis)

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